Montag, 19. Dezember 2011

Ergänzung zur Vorweihnachtszeit

Nach meinen vorweihnachtlichen Schilderungen zuvor möchte ich noch eine kleine Ergänzung loswerden.

Darauf war ich heute Morgen nun wirklich nicht vorbereitet. Nichts Böses ahnend wollte ich frühstücken. Dazu machte ich das Radio an. Richtiges chinesisches Radio, keinen Internet-Stream. Einen Sender, der ab und zu auch mal was aus dem Westen spielt (aber natürlich keine bösen, indizierten Lieder von den Backstreet Boys...), hatte ich vorher irgendwann mal gefunden und eingestellt.

Was aus den Boxen kam, war aber weitaus schlimmer, als es die Backstreet Boys jemals sein könnten.

An meine Ohren drang:
Last Christmas.
Wham!

Das konnte nur eins bedeuten: Radio aus. Sofort. Wham!

Sonntag, 18. Dezember 2011

Advent, Advent, ein Lichtlein brennt...

... oder, besser gesagt, wenn man sich Shanghai anschaut: Tausende Lichtlein!

Die Vorweihnachtszeit hat mittlerweile auch hier deutliche Spuren hinterlassen.

Exemplarisch vergangenes Wochenende:
Auf dem Weg zum Supermarkt stellte ich erst einmal fest, dass der Eingangsbereich von meinem Haus mit großem Aufwand von einigen Herrschaften geschmückt wurde. Strahlende Weihnachtsmänner wurden an die Türen geklebt, Sprüche aufgesprayt und weihnachtliche Papierketten ausgeschnitten. Ich konnte es mir natürlich nicht nehmen lassen, die intensiven Bemühungen mit ein paar Fotos festzuhalten. Als die Herren dies merkten, haben sie sich sehr gefreut, dass ich ihre Arbeit so wert schätze. Sofort wurde einstimmig ein lautes "Cen-Tah" aus den Kehlen geschmettert, begleitet von einem hochgereckten Daumen.
Nach einem fragenden Blick meinerseits kam schnell die Erleuchtung: Gemeint war natürlich Santa (Claus)! Die Leute hier haben offensichtlich relativ schnell verstanden, dass der Weihnachtsmann die eigentliche Weihnachtsattraktion ist, so dass man mit dem ganzen anderen Drumherum (also Jesus Geburt und so...) überhaupt nicht konfrontiert wird und sich so auf das Wesentliche konzentrieren kann.

 
Draußen wurde zusätzlich noch eine Lichterkette aufgehängt, die tagsüber etwas jämmerlich aussieht, aber nach Einbruch der Dunkelheit den Eindruck erweckt, es handele sich um einen richtigen Weihnachtsbaum. Das sieht dann so aus:


Aber ich wollte ja eigentlich zum Supermarkt angehen. Also ging ich richtig los und konnte feststellen, dass  auch noch an vielen anderen Stellen in der Stadt Weihnachten seine Spuren hinterlässt, z.B. in Form von künstlichen Weihnachtsbäumen, Merry Christmas-Sprüchen an Schaufenstern, usw. Interessant war vor allem der Stand eines fliegenden Tassen-Händlers. Solche Händler kommen mit einem Wagen, den sie irgendwo hinziehen, wo sie ein gutes Geschäft wittern, und von dem aus sie direkt ihre Waren anpreisen und feil bieten. Meistens werden von diesen Wagen aus Obst, DVDs oder Bücher verkauft. In dem Fall ging es aber um Tassen. Viele davon sahen auch mehr oder weniger weihnachtlich aus, bei einer Tasse konnte man es aber auf gar keinen Fall leugnen: Der Aufdruck "Nürnberger Christkindlmarkt 2011" war eindeutig: 

  
Gut, irgendwann habe ich es dann doch in den Supermarkt geschafft. Aber was hat mich da als Erstes erwartet? Natürlich die Weihnachtsschmuckabteilung mit Weihnachtsbaumschnäppchen:


Abgerundet wurde der Tag am Abend dann schließlich noch mit einem Besuch des hiesigen Weihnachtsmarkts. Dieser war sogar erstaunlich stilvoll und "echt". Es gab Glühwein, der auch so geschmeckt hat. Es gab Bratwurst und es gab Schupfnudeln. Dazu viele andere Stände mit Holzspielzeug, selbstgemachter Marmelade, Delikatessen und, und, und. Wie man es auch in einer mittelgroßen Stadt in Deutschland finden könnte.

Aber auch hier galt: Je heller und leuchtender, je blinkender und zahlreicher die Lichter, desto besser!
Hätte nicht jemand extra drauf hingewiesen, wäre die fast komplette Mondfinsternis an dem Abend komplett untergegangen. So ein verfinsterter Mond ist halt einfach nicht hell genug in Shanghai!

Montag, 12. Dezember 2011

Anelka

Der Transfer-Coup ist offiziell geglückt:

http://www.kicker.de/news/fussball/intligen/startseite/561933/artikel_ab-nach-shanghai_anelka-machts-wie-jancker.html

Nachdem schon ein paar Wochen hier darüber spekuliert wurde, ist es jetzt also klar: Demnächst wird hier Fußball gespielt. Ob Anelka jetzt der strahlende Star ist, für den der Investor bzw. die Investoren-Firma ihn wohl hält, sei mal dahin gestellt. Shenhua (der Name des Teams) ist eigentlich eine IT-Firma und kein Fußballverein - also das Bayer Leverkusen in China.
Mich wird Herr Anelka wahrscheinlich aber zumindest einmal ins Stadion locken, einfach um zu sehen, wie Profifußball made in China aussieht. "Richtige" Fans (also mit Trikots, Singen, Springen, etc....) soll es sogar heute schon geben, wird gemunkelt.
Und aus Europa hat man auch schon die Korruption bei Schiedsrichtern übernommen. Vielleicht schafft es so ein "Star" ja tatsächlich, dass auch das Geschehen auf dem Feld in Zukunft in China etwas mehr Aufmerksamkeit bekommt. Bislang jedenfalls lachen selbst die Chinesen über die eigenen Spieler und Vereine. Grund dafür ist vor allem das desolate Abschneiden der Nationalmannschaft. Die hat es nämlich zustande gebracht, bereits heute aus der Qualifikationsrunde für die WM 2014 (!!) ausgeschieden zu sein, also mehr als 2,5 Jahre, bevor das Turnier überhaupt anfängt. Nachdem sich China erst noch wenigstens gegen Laos und Singapur durchsetzen konnte (ein paar Mio. gegen mehr als eine Milliarde...), kam das Aus dann gegen die Fußball-Großmächte Jordanien und Irak...

Mittwoch, 7. Dezember 2011

Surfing China

Etwa zwei Stunden von Shanghai, in der Nähe der Millionen-Metropole Hangzhou, entsteht regelmäßig eine Flusswelle. Im September steigt sie am höchsten und kann mehrere Meter hoch werden.

Klar, dass da die hawaiianischen Surfer nicht weit weg sein können.
Ein schönes Video haben sie auch gedreht - viel Spaß damit:


In der Welle sind nach ausgiebiger Internet-Recherche schon viele Leute gestorben, die zu nahe heran gegangen sind und von ihr weggespült wurden. In einem Jahr sollen es sogar um die 10.000 Menschen gewesen sein, so heißt es...

Ich glaube, nächstes Jahr im September werde ich da auch mal vorbeischauen müssen.
Also, ich gehe dann mal in die Schwimmhalle zum Trainieren!

Montag, 5. Dezember 2011

Shanghai Fashion: Die Diva

In einer großen Stadt sieht man natürlich auch regelmäßig ein paar eigenwillig gekleidete Individuen. Daher möchte ich die aktuellen Fashion-Moden von Shanghai ein wenig dokumentieren.

Anfangen möchte ich mit einem Stil, von dem ich nicht weiß, ob er mal vielleicht vor 20 Jahren einmal ein Trend war, oder ob es ein Trend ist, von dem heute noch niemand weiß, dass es einer wird.
Beides könnte sein, denn der Stil "Diva" - wie ich ihn hier nennen möchte - lässt sich heute nur vereinzelt in Shanghai finden. Er trägt den Untertitel "Schrullige, reiche Tante gehobenen Alters".

Der Stil besticht durch einen Material-Einsatz, der unverkennbar zeigt, dass hier jemand nicht zum Spaß herum läuft, sondern um gesehen zu werden. Auf bestochen klare Weise wird verdeutlicht, dass man nicht nach einer goldenen Zukunft strebt, sondern dass man Gold hat. Hierfür wird bevorzugt der Laufsteg der Fußgängerzone in der Nanjing East Road in Beschlag genommen.

Karl Lagerfeld & Co. aufgepasst, Vorhang auf, hier ist sie: Die Shanghai-Diva 2011!

Mittwoch, 30. November 2011

Translation of the Day (III)

Ich bin nun wirklich kein Bier-Experte. Etwas gewundert habe ich mich aber doch, als ich in einem Lokal neben den üblichen lokalen und internationalen Biersorten á la Guinness, Qingdao und Heineken auch noch das "Naturtrüb" direkt über dem "Dunkel" gesehen habe.

Etwas schwer zu lesen auf dem Foto, aber ich hoffe erkennbar:


Da der naturtrübe Spaß umgerechnet rund 7 Euro gekostet hätte und noch einmal einen deutlichen Premium-Preis auf die anderen Biere zusätzlich beinhaltete, habe ich dem Test, was einem da tatsächlich serviert wird, widerstanden.

Gibt es diese Biermarke tatsächlich oder was für ein Bier wäre da gekommen? Sachdienliche Hinweise sind willkommen!

Donnerstag, 24. November 2011

From the East to the West, Guilin is the Best!

Schon vor ein paar Wochen war ich für vier Tage in Guilin. Guilin liegt im Süden Chinas und ist einer der Touristen-Hot-Spots schlechthin in China. Der Leitspruch dort ist deshalb "From the East to the West, Guilin is the Best".
Ich war jedoch "beruflich" und mit vielen Kollegen für ein abteilungsübergreifendes "Outing" da (das Wort wird hier tatsächlich so für eine Firmenreise benutzt - bevor jemand etwas anderes denkt...). Da der Rückflug netterweise erst am Sonntag Abend ging, blieb also viel Zeit für Sightseeing.

Erstes Highlight war allerdings nicht die schöne Landschaft, sondern ein Besuch auf der Polizeistation. Grund hierfür war, dass sowohl ich als auch ein anderer deutscher Kollege gerade unsere Pässe in Shanghai bei den Behörden abgegeben hatten, um unsere Arbeitserlaubnis zu bekommen. Wir hatten zwar einen sogenannten "Travel Slip" im Gegenzug bekommen, mit dem wir uns in China wie mit einem Pass hätten bewegen können sollen - das war aber dann leider doch nicht so. Die Airline hatte den Wisch noch akzeptiert, das Hotel jedoch nicht. Ihrer Meinung nach wäre der Zettel nur in Shanghai und vielleicht auch Peking gültig, definitiv aber nicht bei ihnen in Guilin. Nachdem wir dann mehrfach gebeten wurden, doch unseren richtigen Pass zu zeigen, woraufhin wir abwechselnd erklärten, dass der Zettel im Moment unser Pass sei, wurden wir zur Polizei geschickt.
Unser Aufpasser auf dem Weg dorthin wollte mit uns in einem öffentlichen Bus fahren. Als nach 10 Minuten kein Bus in Sicht war, aber die Polizei in 30 Minuten zu schließen drohte, stoppte er kurzerhand einen Rollerfahrer, der noch einen Platz hinter sich frei hatte und bereit war, kurz Taxi für uns zu spielen. Aber wir waren ja zu dritt. Schnell war dieselbe Verhandlungsszene mit einem anderen Rollerfahrer noch einmal wiederholt. Ein dritter Rollerfahrer war aber nicht aufzutreiben. Der Aufpasser zeigte uns, wir sollten uns trotzdem schon mal abfahrbereit machen und auf die Roller aufsteigen, damit es dann gleich los gehen könne. Kaum saßen wir, rief er irgendetwas energisch den Fahrern zu, sprang als dritter Passagier auf meinen Roller mit auf - und bevor ich mit einem Abstieg protestieren konnte, waren wir schon auf Höchstgeschwindigkeit hochbeschleunigt!

Diesen Augenblick inklusive meiner perplexen Entrüstung hat mein Kollege sogar mit seiner Kamera gebannt - ich möchte Euch das Bild nicht vorenthalten:

Als wir bei der Polizei angekommen waren, wurden wir von einem Schalter immer zum nächsten weitergereicht, weil keiner genau wusste, was wir denn nun eigentlich von ihnen wollten und verlangten. So wichtig war unsere Registrierung bei den lokalen Behörden also wirklich... Als wir die Reihe durch waren, wurde schließlich der Chef aus dem Hinterzimmer geholt. Der sagte irgendwas, danach tippte die Beamtin ein paar Minuten wild in die Tasten, druckte ein Papier aus, gab es unserem Aufpasser - und wir waren wieder frei...


Zweites Highlight war dann aber doch die Fluss- und Hügel-Landschaft. Bevor ich viel beschreibe, lasse ich einfach mal lieber ein paar Bilder für sich sprechen:





Das dritte Highlight bestand in der Besteigung des Moon Hills. Dahin machten wir uns mit einem geliehenen Fahrrad auf den Weg.



Der Moon Hill ist deshalb ein besonderer Hügel unter den Tausenden Hügeln um Guilin, weil er ein großes Loch in der Mitte hat. Das Loch erinnert vage an eine Mondsichel, weshalb wohl der Name entstanden ist.

Bevor man mit dem Aufstieg beginnen kann, läuft man an einem Eintrittskartenhäuschen mit einem großen Schild vorbei, dass u.a. Klettern am Moon Hill strikt untersagt:


Das war für uns soweit auch kein Problem, wir wollten ja nur den Moon Hill aus der Nähe sehen. Oben angekommen, konnten wir tatsächlich eine schöne Aussicht genießen. Nach kurzer Zeit liefen wir auf die Rückseite des Moon Hills. Dort merkten wir dann, dass wir nicht ganz alleine dort oben waren. Von irgendwo kamen vertraut-fremde Klänge: Schwyzerdütsche Stimmen drangen an unsere Ohren! Aber von wo? Rund um die eigene Achse ließ sich niemanden erblicken. Erst als wir den Blick weiter nach oben richteten, sahen wir jemanden eifrig im Fels kraxeln (der kleine Punkt in der Mitte):

War ja klar, dass es nur unsere lieben Nachbarn sein können, die sich - kaum dass sie etwas sehen, was annähernd wie ein Berg aussieht - in die Illegalität begeben, um da rauf zu klettern.


Highlight Nr. 4:
An der Flusspromenade sitzend, schrie auf einmal jemand von hinten "Hey you! YOU!", woraufhin ich mich unweigerlich umdrehte. Das brachte den Mann aber noch nicht zur Räson. Stattdessen rief er "No, not you! I mean YOU", wobei er auf meinen Nebenmann deutete. Als ich ihn anstieß und auch er sich umdrehte, legte der Amerikaner erst richtig los: "Are you Ben Affleck? No, you must be really...!!?? Are you, are you Ben Affleck??".
Wohlgemerkt: Der Mann war mind. 20 Meter entfernt von uns, wir waren nur mit dem Rücken ihm zugewandt.
Die Antwort meines Kollegen: "Yes, of course, I am. And this is Brad Pitt!" Dabei zeigte er - natürlich - auf mich.
Jetzt war der Ami auf einmal richtig in seinem Element: "Noooo wayyyy! Are you really?! May I come closer? You must be kidding me, aren't you?" In der Zeit lief er bereits die Hälfte der Treppenstufen zwischen ihm und uns herunter. Er schaute noch einmal auf, plötzlich erkannte er die langweilige Wahrheit: "No, you are kidding me! Man, I was nearly sure you are Ben Affleck. You look exactly like him!"
Um die Autogramme kam sowohl Ben als auch ich herum.


Das fünfte und letzte Highlight:
Nachdem wir so euphorisch von einem Amerikaner als Filmstars gefeiert wurden, gingen Ben und ich beschwingt kurz vor dem Rückflug noch ein letztes Mal durch Guilin. Dabei wurden wir aber schnell wieder auf die Boden der Tatsachen zurückgeholt. Wir mussten feststellen, dass uns auf den Straßen kein roter Teppich ausgerollt wird, sondern dass die Verkehrssitten hier leider auch rau und unbarmherzig sind - wie überall in China (egal ob Chinese, Ausländer oder sogar Filmstar). Ein Auto, das mich fast überfahren wollte, hat das auch noch durch einen sehr eindrucksvollen Aufkleber mit einer Hand darauf unterstrichen:
 

Schön, wenn man so herzlich willkommen geheißen wird in einer fremden Stadt!

Für mich war das aber eher ein Zeichen zum Aufbruch - das Flugzeug wartete. Am Flughafen konnte die Sicherheitskontrolldame wieder nichts mit dem "Travel Slip" anfangen und fragte noch viermal nach meinem Pass. Dasselbe Frage-Antwort-Spiel wie im Hotel ging also wieder los. Wie bei der Polizei musste am Ende der Chef gefragt werden, der zum Glück schon mal was von dem Papier gehört hatte und mich durch die Kontrolle und ins Flugzeug einsteigen ließ.
Nach 2:45 Stunden Flugzeit waren wir alle wieder zurück in Shanghai (ja, dieses Land ist tatsächlich sehr groß!).

Samstag, 19. November 2011

Einführung in chinesische Sitten: Folge 1 - Sitzen

Ich möchte gerne ein paar chinesische Sitten und Bräuche vorstellen. 
In der Regel sind das ganz simple Dinge, die aber - im Detail betrachtet - zu interessanten, ungewöhnlichen Ergebnissen führen können.

Verdeutlichen kann ich dies am Themenfeld 1: Sitzen!


Ja, genau. Sitzen!

Ich will nicht auf den Fakt eingehen, dass sich auch in China die Menschen ab und zu mal hinsetzen. Viel interessanter ist, wie sie dies tun, wenn gerade mal kein Stuhl da ist.

In Deutschland würde man sich wahrscheinlich auf den Allerwertesten setzen, vielleicht noch in Kombination mit der mehr oder weniger eleganten Schneidersitz-Beinstellung. 
Alternativ würde manch einer vielleicht auch für kurze Zeit das komplette eigene Gewicht in einer Art Kniebeuge auf die Zehenspitzen stellen, was aber schnell zu einschlafenden Beinen führt. Behaupte ich jetzt jedenfalls einfach mal, ohne dazu auch nur ansatzweise fundiertes empirisches Hintergrundmaterial zu haben.

Kommen wir nun zur chinesischen Variante:
Die ist von der deutschen Kniebeuge-Zehenspitzen-Variante gar nicht so weit entfernt, aber mit einem - meiner Meinung nach sehr wichtigen - Unterschied: Der Fuß steht mit der kompletten Sohle auf dem Boden! In dieser Stellung scheint man im Prinzip ewig ausharren zu können. Keine Spuren einschlafender Beine!

Und das Beste: Ich kriege das noch nicht mal hin. Meine Sehnen, Muskeln und Gelenke sind offensichtlich schon zu eingerostet und unbeweglich. Versuche ich es dennoch, so zu sitzen, kippe ich spätestens nach zwei Sekunden nach hinten um. Wie ein Sack Kartoffeln, Reis oder was auch immer. 
Deprimierend.
Denn hier können selbst die Rentner sich noch ganz fidel in diese Position bringen, um z.B. den Verkehr zu beobachten, auf die shoppende Frau zu warten, oder mit den Nachbarn eine Runde Karten zu spielen.

Hier zwei Illustrationen:
 


Donnerstag, 17. November 2011

Mein Block: Innenperspektive

Heute möchte ich mit der lang angekündigten Vorstellung meines Blocks beginnen!

Als Erstes: Was gehört eigentlich genau zu "meinem Block"?
Zu meinem Block zähle ich alles, was sich innerhalb der vier, zusammen ein Rechteck bildenden Straßen, die um meine Wohnung herum führen, abspielt.

Das Herzstück des Blocks bildet der sogenannte Compound, in dem ich wohne. Viele Leute hier wohnen in solchen zusammengehörenden Wohnanlagen, die ursprünglich mal von einer Immobilienentwicklungsfirma gebaut wurden und meistens aus mehreren gleich aussehenden Wohnhäusern, einer Garten-Anlage und ein paar Gemeinschaftsbereichen bestehen.

Möchte man in mein Compound hinein gehen, wird man erst mal von einem stets freundlich daher schauenden, ansonsten aber sinnlos herumstehenden Mann begrüßt. Er trägt eine schicke Uniform und tut so, als ob er permanent Besucher würdevoll in Empfang nehmen würde. Das suggeriert zumindest ein Pult mit der Aufschrift "Visitor Registration", hinter dem er üblicherweise steht. Tatsächlich habe ich die Empfangsherren aber nie auch nur ansatzweise irgendjemanden ansprechen oder anhalten gesehen. Es würde mich nicht wundern, wenn die Liste der registrierten Besucher noch komplett leer ist. Um es zusammen zu fassen: Wären die Burschen nicht da, würde es vermutlich keiner merken - jetzt sind sie aber nun mal da und stören tun sie ja auch nicht. Also werden sie wohl für immer so da stehen und vor sich hin grinsen.

Das Ganze sieht dann so aus:

Diesen Anblick nehme man gedanklich mal vier - denn es gibt vier Eingänge zum Compound, die alle patrouilliert werden. Bei Regen stellen sich die Uniformierten übrigens schnell ein kleines Zelt auf, damit sie nicht nass werden. 


Neben dem Begrüßungskommando gibt es noch ein paar weitere Trupps, die sich formell um die Sicherheit der Bewohner des Compounds kümmern. Sie betreten meistens aber erst nach Einbruch der Dunkelheit die Bildfläche und schlendern dann einzeln im Gänseschritttempo das Gelände ab. Dabei haben sie eine Taschenlampe in der Hand, mit der sie in der Regel die eigenen Fuße beleuchten.
Schaffen sie es womöglich deshalb, bei dem ungeheuren Tempo, das sie an den Tag legen, einen Fuß gekonnt vor den anderen zu setzen und nicht ins Stolpern zu geraten? Ich habe noch nicht nachgefragt...
Ansonsten machen auch diese Männer nichts Wichtiges. Aber Präsenz zeigen ist ja auch schon mal was!

Kurz nach dem Eintritt in den Compound kann man dieses vielversprechende Schild sehen, dass die Vorfreude auf einen erholsamen Park wachsen lässt:

Dreht man sich nun aber nach links in Park-Richtung, dann sieht man leider nur die Einfahrt in eine Tiefgarage. Zu früh gefreut!

Nach einem kurzen Augenblick der Enttäuschung gibt es aber trotzdem eine Art Park zu entdecken. So findet man schnell einen kleinen Bambus-Wald:


...einen Mini-Wasserfall:


...einen Algen-Fischer, der versucht, den "Teich" in Schuss zu halten:



...und einen kleinen "Streichelzoo" mit weißen Wildkatzen, die im Unterholz hausieren:


Seit kurzem gibt es neben dem Spielplatz für die Kinder, dem Fitnessbereich für die Sportler und dem Mini-Strand für die Müßiggänger auch noch eine weitere Attraktion, die den Compound weiter aufwertet und verschönert:



Nach diesem kurzen Einblick in das Innerste meines Blocks folgt in den nächsten Tagen der zweite Teil. Der Blick wird dann vom Compound aus nach außen schweifen und auf das Straßenleben meines Blocks gerichtet.

Freitag, 11. November 2011

Pocari Sweat

Nach dem kleinen Bilderrätsel aus der Soccerworld hier noch eine Ergänzung: Ich habe nun im Fernsehen auch eine Werbung vom "Schweißgetränk" Pocari Sweat gesehen.
Es scheint sich um eine japanische Marke zu handeln - hier hat also niemand in China einen Übersetzungsfehler gemacht, sondern es ist wohl eher JapLish oder so ähnlich. Mea culpa.

Hier zwar nicht genau die Werbung, die ich gesehen habe, aber auch schön japanisch-unsinnig und in einem dezenten Takeshi's Castle Stil:

Mittwoch, 9. November 2011

Breaking News (final edition): Luftfracht am Boden, durch den Zoll und...

... inzwischen tatsächlich auch in meiner Wohnung!

Juhuu!

Es scheint auch alles heil geblieben zu sein. Ein bißchen wie Weihnachten: Auspacken, auspacken, auspacken. :-)

Sonntag, 6. November 2011

Friseurbesuch

Ich komme gerade vom Friseur zurück. Wie in alle Geschäfte kann man hier auch zum Friseur am Sonntag gehen. Praktisch.
Den Friseur hatte ich unweit meiner Wohnung schon ein paar Mal beim Vorbeigehen gesehen. Ich wollte nichts Besonderes, nur etwas kürzere Haare.

Um dem Friseur zu verdeutlichen, wie ich's denn gern hätte, hatte ich mich letztes Jahr in Changzhou mit zwei, drei Fotos, die ich aus dem Internet zusammengegoogelt und ausgedruckt hatte, beholfen. Vor allem ein Foto von Johnny Depp erwies sich als äußerst zielführend, um dem dortigen Friseur klar zu machen, was ich von ihm erwartete.
Also wappnete ich mich heute Morgen vorab wieder mit einem Foto. Mein schönes Smartphone reichte aus, um bei der Google Bildersuche auf die Schnelle ein paar Johnny-Depp-Fotos zu finden und eins auszuwählen. Den Ausdruck konnte ich mir dank der modernen Technik sparen.
So vorbereitet zog ich also los.

Beim Friseur angekommen, schien man bereits auf mich zu lauern. Drei Personen, die im Eingangsbereich saßen, warteten nicht etwa darauf, selbst an die Reihe zu kommen. Sondern bei dem Trio handelte es sich um die Friseur-Crew. Die drei sprangen sofort auf und begrüßten mich mit einem einwandfreien "Hello Sir, how can we help you"? Man spricht also Englisch - auch beim Friseur, zumindest in Shanghai.
Ich erläuterte mein Haarschneideanliegen in wenigen, einfachen Worten, woraufhin ich von der Rezeptionsdame erst einmal in das hausinterne Kastensystem eingeweiht wurde. Das System besteht aus vier Stufen, die jeweils einem anderen Fähigkeits- und Erfahrungslevel des Friseurs entsprechen - so ein bißchen wie in einer Unternehmensberatung. Vom einfachen "Styler" bis zum "Director" waren die Friseur-Karrierelevel aufgeführt und natürlich auch mit unterschiedlichen Preisen versehen. Den Mikroökonomie-Dozenten im Grundstudium hätte das sicher sehr gefreut, dass so die Präferenz und Zahlungsbereitschaft der Kunden optimal abgeschöpft wird.

Da meine Erwartungen sehr einfacher Art waren und die Zahlungsbereitschaft eher gering, stieg ich beim untersten Level, dem "Styler", ein. Das Foto musste ich nicht mehr zeigen, ich konnte mich ja verbal verständigen. Ich wurde noch schnell mit zwei englischen Herren-Magazinen zum Durchblättern ausgestattet, und schon ging's los. Nelson schritt ans Werk.

Wieder einmal zeigt sich also im Kleinen, wie anders Shanghai im Vergleich zur "Provinz" nur wenige Kilometer entfernt funktioniert. Sehr zur Erleichterung von Westlern wie mich - und das in zweierlei Hinsicht: Denn nicht nur die Verständigung ist viel einfacher hier, sondern auch der Geldbeutel wird deutlich erleichtert.
Als der Schnitt fertig war und ich zur Kasse schritt, wurde von mir das sage und schreibe 15-fache von dem verlangt, was ich in Changzhou zahlen musste. Okay, das war dort auch nur ca. 1 Euro. Da ist dann auch das 15-fache mal verkraftbar, zumal man ja wirklich spürbare Vorteile hat (neben der Verständigung auf Englisch war zugegebenermaßen heute auch die Einrichtung und das Ambiente im Laden etwas netter).
Trotzdem zeigt sich hier etwas sehr typisches für Shanghai und China insgesamt: Die Unterschiede innerhalb des Landes und auch der Stadt können extrem sein, gerade was die Preise für im Prinzip dieselben Sachen angeht. Man kann hier ziemlich günstig leben, aber auch deutlich teurer als in Deutschland.
Und ich bin nur beim "Styler" eingestiegen - der "Director" will sicherlich noch mal das vier- bis fünffache mehr...

Freitag, 4. November 2011

Soccerworld in Shanghai

Diese Woche habe ich mich an einem Feierabend den Fußballern in der Firma angeschlossen und damit erstmalig offiziell am Betriebssport teilgenommen. Nachdem wir in der Rush Hour ca. 50 Minuten im Auto irgendwohin gefahren sind (ich hatte längst die Orientierung verloren, wusste aber zumindest, dass es in den Bezirk Putuo gehen sollte), staunte ich beim Aussteigen nicht schlecht.

Unser Ziel war ein Standort der aus Deutschland bekannten wie beliebten Soccerworld. Erinnerungen an die Underdocs, Ashkan und Mashkan wurden wach. Nach den letzten Meldungen zum plötzlichen Untergang der Mainzer Fußballhalle und den Montags-, Mittwochs-, und Freitagsligen scheint der Investor einen neuen Ausweichstandort im fernen China gefunden zu haben, der scheinbar höhere Renditen abwirft. Das Areal ist zumindest riesig. Zahlreiche Outdoor-Kunstrasenplätze in verschiedenen Größen konnte ich bestaunen, Flutlicht inklusive. Auch der Andrang anderer Fußballer war nicht gerade gering.
Ob die auch alle aus so großer Entfernung gekommen sind wie wir und dem Lockruf der Soccerworld erlegen waren oder vielleicht eher nach Sperrstunde von dem direkt angrenzenden, scheinbar ebenso riesigen Fischmarkt herübergetrottet sind, konnte ich nicht ausmachen.
Allseits beliebt waren auf alle Fälle Manchester United Trikots, gefolgt von Deutschland-Trikots (Nr. 4: Aogo!), Spanien-Shirts und Barcelona-Leibchen. Ein BVB-Trikot war auch im Gewusel der ca. 30 Kicker auf dem Halbfeld neben uns auszumachen.

Gespielt haben wir dann auch noch. Auf einem Kleinfeld mit Abseits und Mannschaftswechseln nach jedem Tor (wir waren drei Teams). Der Wechsel musste in so kurzen Abständen erfolgen, damit sich ungefähr die Hälfte einer Mannschaft noch gerade rechtzeitig die nächste Dosis Nikotin einverleiben konnte, bevor die Raucherlunge zu kollabieren drohte. Manche Leute in China behaupten eisern, rauchen wäre gut für's Denken. Für chinesische Körper sind Zigaretten scheinbar auch für sportliche Höchstleistungen förderlich, so mein Eindruck.
Wenig sinnvoll fand ich auch die Regel, dass der Torwart automatisch nach jedem Tor gewechselt wurde. Vielleicht sind manche Kollegen wirklich nicht so gut im Bälle fangen, aber meine Vermutung nach einigen nicht ganz unhaltbaren Schüssen, die doch in den Maschen landeten, war zumindest, dass einfach jemand schnell wieder aus dem Tor heraus wollte...

Spaß hat's trotzdem gemacht. Wiederholung nicht ausgeschlossen.

Zum Abschluss hier noch ein paar Bilder:

Etwas ungewohnt: Soccerworld Logo auf chinesischem Plakat zur Begrüßung
Tore, Flutlicht, Bandenwerbung - alles da!


Im Hintergrund noch eine idyllische Industrie-Anlage!


Der BVB da, wo er hingehört: In eine Reihe mit Barcelona und Madrid
P.S. Wer erkennt im letzten Bild noch etwas, was auch in super in die Kategorie ChEnglish passen würde (hab's auch gerade erst gesehen)?
Tipp: Augenmerk sollte auf dem Kühlschrank liegen. ;-)

Montag, 31. Oktober 2011

Breaking News II: Luftfracht ist in der Luft

Soeben habe ich einen Anruf von der Spedition erhalten. Meine Luftfracht befindet sich nach ca. 40 Tagen nun tatsächlich in der Luft!
Hallelujah!!!

Und noch mehr: jetzt braucht die Spedition auf einmal nicht nur die zuvor eingeforderte Kopie von Arbeitserlaubnis und Aufenthaltsgenehmigung, sondern auch noch die Originale. Um diese plötzliche und für die Spedition vermutlich höchst unerwartete Erkenntnis nicht in eine weitere Verzögerung der Freigabe im Zoll münden zu lassen, ist nun ein eigens engagierter Fahrer, wahrscheinlich mit Polizei-Eskorte und Blaulicht, unterwegs, um die Dokumente von mir abzuholen. Jetzt scheint auf einmal jede Sekunde zu zählen!!

Ob der Kurier wirklich hier bei mir ankommen wird und seine Mission erfüllt? Es bleibt spannend.

Sonntag, 30. Oktober 2011

Zensur

Aufgrund aktueller Meldungen über weiter verschärfte Zensur in einschlägigen Social Media Plattformen in China wurde ich gefragt, ob dies nun das Ende des Blogs bedeute.

Hiermit kann ich mitteilen:
Nein!

Diese Seite, auf der diese Zeilen erscheinen, ist bereits seit Monaten und wahrscheinlich seit Jahren in China nicht zugänglich. Damit hat auch kein Zollbeamte jemals gesehen, was ich über den Import geschrieben habe und sich somit auch nicht bei mir beschwert (was ich über die Spedition geschrieben habe, ist aber die volle Wahrheit!!).

Wie ich das Hexenwerk trotzdem vollbringe, hier zu schreiben?
Da ich mein umfangreiches, sorgfältig ausgewähltes und geprüftes Netzwerk von Helfern und Helfershelfern, die meine Nachrichten Kilometer um Kilometer transportieren, dechiffrieren und über die Grenze außer Landes schmuggeln, ob Ihrer eigenen Sicherheit nicht benennen und beschreiben will, lasse ich stattdessen diesen Cartoon aus der aktuellen Ausgabe des Economist für sich sprechen:

Freitag, 28. Oktober 2011

Breaking News: Meine Luftfracht im Zoll nicht auffindbar

Da der chinesische Staat bekanntlich überall mitliest und mithört, sind bei mir nach dem letzten Bericht einige Beschwerden von den Zollbeamten eingegangen. Meine Luftfracht ist anscheinend doch nicht in ihrer Gewalt, die Ehre auf sie aufpassen zu können weisen die Staatsdiener von sich und wollen sich nicht zu Unrecht mit fremden Federn schmücken. In Zukunft solle ich derartige Lobhudeleien sein lassen, um nicht für weiteren Zuzug aus Fernwest nach China zu sorgen, durch den noch mehr Luftfracht eingehen und damit noch mehr Import-Arbeit auf die Beamten zukommen würde.

Im Ernst: Die Spedition hat anscheinend einfach noch nicht meine Sachen hierher rüber geschickt. Leider haben sie vergessen, mir das vorher zu sagen, geschweige denn, mich vor der Abholung der Sachen darauf hinzuweisen. Wenn die Sachen einmal hier angekommen sind, beginnt erst der Prozess beim Zoll, der lt. neuester Auskunft der Spedition dann aber ganz fix innerhalb von nur 10 Arbeitstagen erledigt sei.

Da ich von einer schnellen Auslieferung innerhalb Woche ausgegangen war (niemand hat mich auf den langwierigen Prozess wie zuvor beschrieben hingewiesen, im Gegenteil), sind alle wärmeren Dinge da drin. Langsam wird es auch hier kälter. Allzu lange sollten Mantel, Schal und Handschuhe nicht mehr auf sich warten lassen...

Montag, 24. Oktober 2011

Da ist das Ding!

Heute habe ich dieses rote Büchlein erhalten:


Nein, dies ist keine Mao-Bibel, sondern meine Arbeitserlaubnis. Nicht, dass ich nicht sowieso schon gearbeitet hätte. Aber jetzt darf ich auch offiziell meinen Tätigkeiten als "Alien" nachgehen. Warum das Ganze gleich in der Größe eines Reisepasses hergestellt wird, weiß ich noch nicht. Vielleicht muss ich, statt Einreisestempel in Ländern zu sammeln, in dem Buch die Arbeitszeiten stempeln, um nachweisen zu können, dass ich auch immer brav im Büro erscheine? Es wird sich zeigen.

Schön auch, dass ich mit diesem Dokument jetzt ebenso die "Residence Permit" bekommen durfte. Wenn sichergestellt ist, dass ich hier arbeite und nicht nur faulenze, scheint der Staat wohl zu denken, dann darf ich auch hier wohnen. Nett, nicht wahr?

Mit beiden Unterlagen - also Arbeits- und Wohnerlaubnis - zusammen wiederum darf ich jetzt beim Zoll vorstellig werden. Der Zoll passt im Moment auf meine Sachen auf, die ich vor ca. 6 Wochen losgeschickt habe. Nachdem ich beides heute zu den Beamten weitergeleitet habe, haben diese sich sogar bereit erklärt, die Sachen noch ein paar Tage länger zu behalten. Wirklich zu freundlich, diese Zollbeamten.

Mittwoch, 19. Oktober 2011

SMOG

Viele Geschichten kursieren in deutschen Medien über die bösen Umweltsünden in China. Auch wenn ich (noch) nicht alles beurteilen kann und vermutlich auch mal übertrieben wird, um eine auflagenkräftige Schlagzeile zu produzieren - eines kann ich schon einmal bestätigen: Ja, es gibt extrem viel SMOG!!!

An den ersten Tagen habe ich mich noch gefragt, ist das jetzt Nebel? Etwas feucht ist die Luft hier zweifellos. Aber wenn man im Verlaufe eines Tages merkt, dass der scheinbare Nebel dichter wird, statt sich aufzulösen, muss man sich dann doch irgendwann der Realität stellen.

Und die sieht so aus: Von meinem Balkon aus kann man theoretisch wunderbar die beiden größten Gebäude Shanghais - jeweils über 400 Meter hoch - sehen. Praktisch ist mir das aber erst vielleicht an zwei oder drei Tagen vergönnt gewesen. Sonst ist maximal schemenhaft zumindest das eine der beiden Gebäude am charakteristischen "Flaschenöffner"-Kopf zu erahnen. Die Gebäude sind Luftlinie ungefähr 5 km entfernt.
Ich weiß nicht, wie weit man in einer anderen Großstadt der Welt - ganz zu schweigen von Deutschland - normalerweise schauen kann. Ich bilde mir aber ein, dass da bestimmt mehr gehen würde.

Gleichzeitig habe ich jetzt ab und zu mal auf einen Luftgüteindex geschaut, um mich zu beruhigen. Das werde ich aber wohl schnell wieder sein lassen, denn ein paar Mal habe ich schon Werte gesehen, die den Status "gesundheitsgefährdend für Risikogruppen" erreicht haben. Ich hoffe, dass ich keiner Risikogruppe angehöre und ich möchte auch nicht in eine Risikogruppe "hineinwachsen". Beeinflussen kann ich es aber nicht (oder sollte ich an besonders "gefährlichen" Tagen so eine Michael-Jackson-Atemmaske tragen?).

Nein, ich werde es auch so überleben.

Wer trotzdem mit mir mitleiden möchte gibt es den Luftgüteindex hier zu sehen: http://www.schanghai.com/?p=wetter#aqi
Ich halte mich vor allem in den Bezirken Jing'an (Wohnung) und Changning (Büro) auf.

Zum Abschluss noch ein Bild der beiden Wolkenkratzer an einem der schönen Tage - wenn es doch nur immer so wäre:

Freitag, 14. Oktober 2011

Von schnackselnden Kaisern

Ich hatte das ja schon öfter gehört und gesehen, wie sich Westler als große China-Kenner geben. Spätestens, wenn Sie geschmeidig eine Visitenkarte aus der Innenseite des Sakkos gleiten lassen, um diese anschließend der hiesigen Etikette entsprechend mit beiden Händen zu übergeben und einem unter die Nase halten, ist klar: Hier hat man es mit einem China-Profi zu tun, der keine Gelegenheit auslässt, um sein Wissen über und seine scheinbar perfekte Assimilation in diese ach so fremde Kultur zu suggerieren.

Der Höhepunkt des Prozederes besteht anschließend darin, dass mit großem Brimborium und allerlei Erklärungen der eigene chinesische Name präsentiert wird - das letzte Zeichen der kompletten Hingabe an das Gastland, könnte man denken. Davon müssen sämtliche Integrationsbeauftragten der Welt träumen.

Bislang fand ich das reichlich albern. Den Namen auszutauschen wie ein billiges T-Shirt, je nachdem, ob man mit jemanden aus Land x oder y in Kontakt steht, scheint grotesk. Ein bestelltes Feld für Blender und Schwätzer, die chamäleonesk ihre Identität verändern.

Klar, ein paar Sachen vereinfacht es: Der Gegenüber weiß sofort, wie man den (falschen) Namen des Gegenübers aussprechen soll, man kann ihn sich vielleicht leichter merken (könnte aber auch andersrum sein?), und man ist nicht irritiert, wenn statt des Mannes, mit dem man zuvor schon lange per Email korrespondiert hat, beim ersten Zusammentreffen auf einmal eine Frau erscheint.
Gleichzeitig muss man sich pro Person aber noch einen Zusatz-Namen merken, damit man in manchen Situationen weiß, über wen da gerade gesprochen wird. Und man kann sogar, statt an Akzeptanz im Gastland zu gewinnen, jeglichen Respekt verlieren. Das merke ich bei manchem Chinesen, die dieses Namensspiel auch sehr gerne betreiben. Da begegnen einem dann haufenweise James, Francis und in einer deutschen Firma gerne auch schon mal ein Franz oder eine Gaby. Unfreiwillig komisch wird's leider in dem Moment, wenn Leute auf der Bildfläche erscheinen, die sich Melon oder Kermit nennen.

Ich hatte mich also bislang jeglichen Versuchen, meinerseits einen chinesischen Namen verpasst zu bekommen, erfolgreich widersetzt. Da ich es letztes Jahr ohne Probleme geschafft hatte, auf diese Weise mehrere Monate zu überleben, wollte ich das eigentlich weiter so handhaben.

Bis gestern.

Gestern bekam ich das Antragsformular für die Arbeitserlaubnis. Darin wird zwingend ein chinesischer Name verlangt. Ein Visum bekommt man auch ohne, (dauerhaft) arbeiten darf man aber anscheinend nur mit Pseudonym... Ich kam also nicht drumherum und musste mir einen chinesischen Namen zulegen.

Alle Vorbehalte ignorierend, stellte sich trotzdem noch die Frage, was für einen Namen ich annehmen soll?
Ich ließ mich von verschiedener Seite beraten. Den Vorschlag, zumindest die Laute meines richtigen Namens möglichst gut nachzubilden, fand ich als Startpunkt gut. Das war leider nicht so ganz einfach zu machen.
Also hieß es abkürzen und etwas freier übersetzen. Da der handelsübliche Chinese für seinen Nachnamen ein Schriftzeichen (= eine chinesische Silbe) und in der Regel für den Vornamen zwei verwendet, wurde aus meinem Nachnamen kompromisslos ein "Di". Im zweiten Schritt kürzten wir den Vornamen erst mal gedanklich auf Chris, um daraus ein chinesisches Ke Li (Ihr wisst ja sicherlich um die Probleme der Aussprache vom "r" in hiesigen Breiten...) zu machen.

Also Di Ke Li (der Nachname kommt zuerst). Hmmm.

Ke Li sei eine gebräuchliche Übersetzung von Chris ohne besondere Bedeutung, auch wenn das Zeichen für Ke laut LEO wahlweise "Gramm", "können", "bezwingen" oder "sich überwinden" bedeutet, während das Zeichen für Li entweder "Meile" oder "innen" heißen kann. Da es aber noch andere Schreibvarianten für sowohl Ke als auch Li gibt, erhöhen sich die Bedeutungsmöglichkeiten bei Änderung des Zeichens erheblich. Hier sind die möglichen Übersetzungen für Ke und für Li verlinkt.

Auch für Di gab es mehrere Optionen:
  1. 荻 - Schilf
  2. 帝 - Kaiser oder höchster Gott
  3. 狄 - chinesischer Familienname ohne Bedeutung
Alle drei Silben zusammen könnten dann also z.B. je nach Zeichenwahl bedeuten:
  • Hr. Li bezwingt eine Meile.
  • Das Schilf überwindet sich innen.
  • Der höchste Gott ist eine durstige Pflaume.
Richtig zufrieden stellte mich das alles nicht. Schließlich klingt Di Ke Li für einen nicht-Chinesisch-Sprechenden doch mehr nach "Die Kelly" oder "Dicker Li" statt nach meinem richtigen Namen. Beides nicht gerade toll.
Ich probierte es, mich den ersten kollegialen Ratschlägen widersetzend, also noch auf eigene Faust weiter und testete die Option mit einem richtigen "r" statt "l" - sprich Di Ke Ri. Schnell wieder bei LEO eingegeben, sah ich für Ri zunächst die harmlosen Bedeutungen Sonne und Tag, dann aber folgten vielfältige Verben, die fast ausnahmslos in Klammern von einem [vulg.] begleitet werden und die ich hier nicht alle widergeben möchte (der Blog soll jugendfrei bleiben) - wer möchte, siehe stattdessen hier ;-).

Um es kurz zu machen: Ich wollte nicht, dass mein chinesischer Name "Der Kaiser vermag zu schnackseln" lautet!

Nach einer Nacht mit diesen vielen Optionen im Hinterkopf war heute der Tag, an dem eine Entscheidung fallen musste. Ich fragte noch einen chinesischen Kollegen um Rat. Er vermutete, alle Optionen würden nicht wie gedacht Vor- und Nachnamen abbilden, sondern nur den Nachnamen. Dieses Feedback gab mir zu denken.
Warum eigentlich nicht? Anstatt den kompletten Namen in die chinesische Sprache übertragen zu wollen, es aber nicht richtig zu können, warum nicht lieber nur einen Teil, aber dafür besser?
Vieler Änderungen bedurfte es ja nicht: Das ke schnell an die dritte Stelle geschoben, geschwind ein Le gesucht, und eine kleine Umstellung von Di auf De (beide Varianten klingen chinesisch ausgesprochen ungefähr gleich ähnlich wie mein richtiger Name). Fertig war der Name.

德乐克 - De le ke

Und das ist die Bedeutung:
1. Zeichen: Tugend & deutsch
2. Zeichen: Freude
3. Zeichen: können

Macht zwar nicht viel Sinn, erscheint mir aber unverfänglich - und der Bezug auf Deutschland ist ja auch ganz nett.

Nun besitze ich also offiziell einen chinesischen Namen.
Eine Geschichte dazu, was er bedeutet und auch fast bedeuten könnte, habe ich auch. Ebenso befindet sich schon ein Sakko in meinem Besitz. Die Visitenkarten werden morgen zum Druck in Auftrag gegeben.
Dann muss ich nur noch üben, diese elegant hervorzuzücken und gekonnt zu übergeben.

Und schwupps bin ich perfekt integriert.

Dienstag, 11. Oktober 2011

Translation of the Day (II)

Ok, ich hatte im letzten Jahr bereits ein paar schöne Stilblüten gesammelt, die sicher noch nicht alle gesehen haben und die ob ihrer zeitlosen Schönheit und Eleganz auch heute noch zu beeindrucken wissen.

Daher heute etwas aus der Konserve:









Sonntag, 9. Oktober 2011

Mein Block

Heute Morgen wachte ich auf und es schien die Sonne.

Im Halbschlaf öffnete ich die Balkontür.

Ich setzte mich blinzelnd und geblendet in den Liegestuhl.

Langsam gewöhnten sich meine Augen an die Höhensonne (wie gesagt: 18. Stock!).



Plötzlich zuckte ich unvermittelt zusammen, denn was sich vor meinen Augen immer deutlicher abzeichnete, rief irgendeine Erinnerung aus grauer Vergangenheit hervor. Doch was war es? Ich sinnierte ein wenig darüber nach, an was mich dieser Anblick erinnern könnte...

 





... bis mir die Schuppen von den Augen fielen:
Ganz klar, Shanghai und Berlin liegen gar nicht so weit auseinander! Oder erinnern diese Hochhauskulissen nicht zumindest ein bißchen an schöne Hellersdorfer Plattenbauten oder wahlweise auch Neuköllner Ghetto-Behausungen?
Meine Assoziation ging noch weiter und ließ mich an dieses absolute Mega-Highlight der neueren deutschen Musikgeschichte denken: Sido - Mein Block

Weiter dachte ich mir: Was so ein Rapper kann, kriege ich auch hin!
In diesem Sinne: Macht Euch bereit für eine investigative Bestandsaufnahme dessen, was so alles hier in meinem neuen Block passiert. Die nächsten Tage werde ich alle Antennen ausfahren und danach das Ergebnis hier präsentieren!

Stay tuned...

Freitag, 7. Oktober 2011

Translation of the Day

Ich hatte geschrieben, dass meine Wohnung im 18. Stock liegt. Natürlich müssen die Chinesen nicht tausende Treppenstufen am Tag hoch- und runterlaufen. Selbstverständlich gibt es einen Fahrstuhl, sogar einen von Thyssen Krupp (was mein Vertrauen in die Zuverlässigkeit deutlich gestärkt hat).

Aber nun zum Anlass meiner Worte:
Als ich gestern vom ersten Supermarkt-Einkauf zurückgekommen bin, schaute ich auf dem Weg nach oben im Fahrstuhl etwas genauer hin und entdeckte an der Tür einen kleinen Aufkleber, der Verhaltensregeln abbildete. Die englische Übersetzung sorgte für ein unweigerliches Schmunzeln, das mir auf ähnliche Art und Weise sicherlich noch an anderer Stelle in Zukunft mehrfach begegnen wird. Das un- oder missverständliche Übersetzen ist eine große Spezialität der Chinesen. Dies möchte ich entsprechend würdigen. Deshalb eröffne ich die erste Rubrik des Blogs: Translation of the Day!

Hier nun der Aufkleber, der mir ab sofort täglich in meinem Fahrstuhl begegnen wird:


More to follow...

Donnerstag, 6. Oktober 2011

... und los geht's!

Ankunft, 1. Tag in Shanghai: Nach einem netten Flug mit einem Zwischenstop in Istanbul (sehr zu empfehlen: die Lounge von Turkish Airlines mit Billiard-Tisch, Kino-Raum, Show-Cooking, Kinderspielplatz, ...) bin ich jetzt angekommen und habe direkt in meinem neuen Domizil eingecheckt.

Da ich den Luxus hatte, mir vorab bereits alles Neue (Stand, Land, Fluss... nein, ich wollte sagen: Büro) für eine Woche anzuschauen und ich in der Zeit auch bei der Wohnungssuche erfolgreich war, wusste ich ja bereits genau, wo ich lande. Erstaunlicherweise hat auch fast alles perfekt geklappt. Die Wohnung steht und sieht fast so aus wie zum Zeitpunkt, als ich sie angeschaut habe, nur sind zusätzlich noch zwei mobile Heizkörper (wichtig für den anstehenden Winter!) und zwei mobile Ventilatoren (wichtig für den danach anstehenden Sommer!) und ein ebenfalls mobiler Backofen vorhanden. Da die 1,299 Mrd. Chinesen außer mir und den restlichen Ausländern normalerweise kaum einen Ofen benutzen, gab es in der Wohnung natürlich auch keinen in der Einbauküche. Der Vermieter ist aber so nett gewesen und hat mir daher einen kleinen Ofengrill in Größe einer Mikrowelle besorgt. Meinen Kochkünsten steht also nichts mehr im Wege - die Tiefkühlpizza kann zubereitet werden!

Da auch Internet und Satelliten-Fernsehen (Achtung: letzteres ist m.W. illegal - ich hoffe kein übereifriger Staatsdiener liest mit...) schon startbereit stehen, kann ich nach einer Nacht mit einer interessanten Wachphase zwischen 2 und 5 Uhr nun sogar bereits von meinem Balkon aus dem 18. Stock diese wenigen ersten Zeilen in den Blog hineintippen.

Dass so ein Start in China auch mit mehr Überraschungen verbunden sein kann, hatte ich letztes Jahr in meinem Email-Newsletter ja ausführlich beschrieben. Zur Erinnerung hier noch einmal zwei hübsche Bilder ...


 a) ... vom Matratzentransport auf dem Auto-Dach (zur Erklärung: in der Firmen-Wohnung gab es zwar zwei Betten, aber keine Matratzen; dafür befanden sich in einer anderen Wohnung sechs Matratzen in einem Zimmer ohne ein einziges Bett --> klarer Fall von Güter-Fehl-Allokation, die dann "kreativ" behoben werden musste)

b) ... vom sog. "Überraschungszimmer", das scheinbar ohne besondere Schlaf-, Wohn-, Koch- oder Duschfunktion ausgestattet war, dafür aber genügend Ausrüstung für einen Monat Guerilla-Krieg beinhaltete (zur Erklärung: nach ein paar Wochen stellte sich heraus, dass der Neffe des Vormieters sein "Spielzeug" vergessen hatte - also kein Grund zur Besorgnis!)



Nun gut, hier sieht es jedenfalls jetzt nicht so aus! Wie es stattdessen genau aussieht und auch was es alles in der näheren Umgebung zu sehen gibt, werde ich in den nächsten Tagen sicherlich mal beschreiben!

So, für heute muss es reichen - der leere Kühlschrank wartet schließlich noch auf den ausstehenden Supermarkt-Einkauf (mal schauen, was die Pizza-Abteilung so hergibt... ;-) ).

Prolog

Besondere Ereignisse stehen an: Im Oktober 2011 ziehe ich nach Shanghai!
Und zwar nicht nicht nur für einen mehr oder weniger überschaubaren Zeitraum wie bei meiner China-Station im letzten Jahr, sondern voraussichtlich für mehrere Jahre.
Deshalb habe ich mich entschlossen, einen Blog zu starten - und werde dafür keine Kosten und Mühen scheuen, um trotz aller Illegalität einer Blogging-Plattform wie dieser (mehr dazu später irgendwann einmal) in China Euch mit Eindrücken, Anekdoten und mehr aus dem Land der Mitte zu versorgen!

Nach meinem "Email-Newsletter" im letzten Jahr rüste ich somit auf. Das hat mehrere Vorteile: sich nicht verstopfende Email-Postfächer, die Möglichkeit kleinerer Geschichten in kürzeren Abständen, mehr Interaktivität und die Offenheit für jederzeit neue Leser.

Also, ich freue mich genauso auf Feedback wie auf künftige physische Besuche von Euch in Shanghai direkt vor Ort!

P.S. Für alle, die nicht auf meine ersten Einträge warten wollen, sei solange schon einmal der absolut lesenswerte (wenn auch mittlerweile zensierte und in seiner "Bissigkeit" leicht reduzierte) Blog von einem Kollegen empfohlen: http://tscheina.blogspot.com/