Sonntag, 6. November 2011

Friseurbesuch

Ich komme gerade vom Friseur zurück. Wie in alle Geschäfte kann man hier auch zum Friseur am Sonntag gehen. Praktisch.
Den Friseur hatte ich unweit meiner Wohnung schon ein paar Mal beim Vorbeigehen gesehen. Ich wollte nichts Besonderes, nur etwas kürzere Haare.

Um dem Friseur zu verdeutlichen, wie ich's denn gern hätte, hatte ich mich letztes Jahr in Changzhou mit zwei, drei Fotos, die ich aus dem Internet zusammengegoogelt und ausgedruckt hatte, beholfen. Vor allem ein Foto von Johnny Depp erwies sich als äußerst zielführend, um dem dortigen Friseur klar zu machen, was ich von ihm erwartete.
Also wappnete ich mich heute Morgen vorab wieder mit einem Foto. Mein schönes Smartphone reichte aus, um bei der Google Bildersuche auf die Schnelle ein paar Johnny-Depp-Fotos zu finden und eins auszuwählen. Den Ausdruck konnte ich mir dank der modernen Technik sparen.
So vorbereitet zog ich also los.

Beim Friseur angekommen, schien man bereits auf mich zu lauern. Drei Personen, die im Eingangsbereich saßen, warteten nicht etwa darauf, selbst an die Reihe zu kommen. Sondern bei dem Trio handelte es sich um die Friseur-Crew. Die drei sprangen sofort auf und begrüßten mich mit einem einwandfreien "Hello Sir, how can we help you"? Man spricht also Englisch - auch beim Friseur, zumindest in Shanghai.
Ich erläuterte mein Haarschneideanliegen in wenigen, einfachen Worten, woraufhin ich von der Rezeptionsdame erst einmal in das hausinterne Kastensystem eingeweiht wurde. Das System besteht aus vier Stufen, die jeweils einem anderen Fähigkeits- und Erfahrungslevel des Friseurs entsprechen - so ein bißchen wie in einer Unternehmensberatung. Vom einfachen "Styler" bis zum "Director" waren die Friseur-Karrierelevel aufgeführt und natürlich auch mit unterschiedlichen Preisen versehen. Den Mikroökonomie-Dozenten im Grundstudium hätte das sicher sehr gefreut, dass so die Präferenz und Zahlungsbereitschaft der Kunden optimal abgeschöpft wird.

Da meine Erwartungen sehr einfacher Art waren und die Zahlungsbereitschaft eher gering, stieg ich beim untersten Level, dem "Styler", ein. Das Foto musste ich nicht mehr zeigen, ich konnte mich ja verbal verständigen. Ich wurde noch schnell mit zwei englischen Herren-Magazinen zum Durchblättern ausgestattet, und schon ging's los. Nelson schritt ans Werk.

Wieder einmal zeigt sich also im Kleinen, wie anders Shanghai im Vergleich zur "Provinz" nur wenige Kilometer entfernt funktioniert. Sehr zur Erleichterung von Westlern wie mich - und das in zweierlei Hinsicht: Denn nicht nur die Verständigung ist viel einfacher hier, sondern auch der Geldbeutel wird deutlich erleichtert.
Als der Schnitt fertig war und ich zur Kasse schritt, wurde von mir das sage und schreibe 15-fache von dem verlangt, was ich in Changzhou zahlen musste. Okay, das war dort auch nur ca. 1 Euro. Da ist dann auch das 15-fache mal verkraftbar, zumal man ja wirklich spürbare Vorteile hat (neben der Verständigung auf Englisch war zugegebenermaßen heute auch die Einrichtung und das Ambiente im Laden etwas netter).
Trotzdem zeigt sich hier etwas sehr typisches für Shanghai und China insgesamt: Die Unterschiede innerhalb des Landes und auch der Stadt können extrem sein, gerade was die Preise für im Prinzip dieselben Sachen angeht. Man kann hier ziemlich günstig leben, aber auch deutlich teurer als in Deutschland.
Und ich bin nur beim "Styler" eingestiegen - der "Director" will sicherlich noch mal das vier- bis fünffache mehr...

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